Ich bin Sozialarbeiterin bei einer Jugendberufshilfe und heiße Verena M. In meinem Job erlebe ich viele Fälle, in denen Menschen am Existenzminimum leben und keine leichte Vergangenheit hatten. Dieser Fall hat mich besonders berührt:
Eine Teilnehmerin, nennen wir sie Kathrin, kam Anfang dieser Woche zu mir und erzählte mir, dass sie erneut von ihrer Mutter verfolgt wird. Sie sei bereits in 6 Frauenhäusern gewesen. Immer wieder versuchte sie danach, ein neues Leben in einer eigenen Wohnung zu beginnen. Doch immer wieder hat ihre Familie und im Speziellen ihre Mutter sie wieder aufgespürt. Mal waren es Anträge auf Kindergeld, welche die Adresse Preis gaben, dann wieder verplapperte sich jmd. während eines Krankenhausaufenthaltes. Grund für den Aufenthalt war eine Schwangerschaft. Kathrin war kurz vor der Entbindung. Jedoch kam es zu Komplikationen. Das Kind verstarb ein paar Tage vor der Geburt. Da sich kein Jobcenter zuständig fühlte (Die Entbindung fand in einer anderen Stadt statt, als Kathrin lebte), musste Kathrin die Kosten für die Bestattung selbst tragen. 2 Jahre dauerte die Abzahlung, was sie von ihrem geringen Hartz-4-Satz tätigte.
Und immer wieder die Familie im Nacken. Einmal fand die Familie Kathrin, zog sie ins Auo und fuhr mit ihr in die Heimatstadt. Im Auto musste Kathrin sich üble Beschimpfungen anhören, sie sei fett geworden und wurde 3 Tage in ein Zimmer gesperrt. Dort bekam sie nur wenig Essen. Sie sollte abnehmen. Kathrin floh aus dem Fenster.
Während der Zeit in den Frauenhäusern wurde alles dafür getan, dass Auskunftsperren verhängt wurden. Das war nötig, denn die Familie tauchte immer wieder auf.
Kathrin lebte in großer Angst. Sie tat alles, um ihre Identität zu verschleiern, färbte sich die Haare, bekam einen anderen Namen. Doch immer wieder lauerte die Familie ihr am Bahnhof auf.
Im Sommer 2021 musste Kathrin erneut in ein Fauenhaus und zog im Anschluss in eine neue Wohnung.
Nun steht sie vor Gericht, weil sie angeblich mehrere Mieten, in der Zeit vor dem letzten Aufenthalt im Frauenhaus, nicht bezaht hat. Die Vermieterin nahm sich einen Anwalt, welcher versuchte, über das Melderegister an die Adresse von Kathrin zu gelangen. Dies war nicht einfach, weil Kathrin zu der Zeit im Frauenhaus lebte.
Also gingen die Briefe zu der einzigen Meldeadresse, welche sich die Anwältin der Vermieterin sicher sein konnte: Die Adresse der Mutter. Die Mutter öffnete die Briefe und wusste somit, in welcher Stadt sich Kathrin aufhält und kam sogar zu der öffentlichen Gerichtsverhandlung.
Die Mutter fand die neue Adresse von Kathrin erneut heraus und stand bei ihr vor der Türe.
Kathrin muss die Kosten für die Miete tragen, denn sie zog überhastet aus der Wohnung aus, um sich zu schützen und zahlte für mehrere Monate die Miete nicht.
Die Mietkosten belaufen sich auf 2900 Euro (auf den Cent genau, kann ich es gerade nicht sagen).
Kathrin soll nicht erneut in der Schuldenfalle hängen. Schlimm genug, dass sie bald wieder umziehen muss. Über eine Veränderung der Identität denkt sie ebenfalls nach.
Es wäre so schön, wenn ich ihr sagen könnte, dass ich das Geld für die Mietkosten beisammen habe, um ihr zu helfen und um ihr zu zeigen, dass nicht alle Menschen schlecht sind.
Ich danke Ihnen vn Herzen! :)
Ihre Verena M.